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Vor der Bezahlschranke

PAY HERE! Warum viele Worte machen, wenn zwei ausreichen. Völlig ausreichen in eindeutigen Angelegenheiten wie diesen. PAY HERE! Unmissverständliches Diktum des schnöden Zahlungsverkehrs. Nüchterne Aufforderung am Eingang zum öffentlichen Parksilo. In dessen xter Ebene wartet das Auto darauf, ausgelöst zu werden. Und ausschließlich gegen Quittung gelangst dein Fortbewegungsmittel wieder ins Fahrtfreie, ins übliche Stop and Go-Geschiebe also. PAY HERE! Keine anderen Wörter könnten die brutale Logik pekuniären Prozederes akkurater auf den Begriff bringen als diese beiden einsilbigen schmallippigen englischen. Marktradikales Mantra. Weltweit verständlich. PAY HERE! Zwei nackte Worte, die es in sich tragen. Das Unumgängliche. Leben Prägende. Zur Kasse. Die Rechnung wird zur Abrechnung. Immer und überall. Ein konsternierender Imperativ. PAY HERE! Von unwiderstehlicher Wirkung. Schnörkellos. Befreit vom PLEASE, PLEASE ME- Gesäusel und Bittebitte-Gebrabbel. Sämtliche Verführungen, Verlockungen, Verheißungen neoliberalen Budenzaubers erweisen sich in ihm als Teil von dem, was sie wesentlich camouflieren: Beutelschneiderei. Obwohl dieser Begriff in seiner abenteuerlichen Bildkräftigkeit fast romantisch anmutet. Hier hingegen geht es sachlich zur Sache. Zur Hauptsache. Entrinnen unmöglich. Ob in bar, per Karte, kontaktlos – Lebenshaltungskosten müssen beglichen werden. Auch mit der Gesundheit, dem Glück, einer lichten Zukunft. Mit Blut, Schweiß und Tränen. Nicht zu vergessen Schlaflosigkeit. Mit der Kreditwürdigkeit. Und welch eine Wortschöpfung! Geboren aus überschäumender Anbetung des Mammons. Ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach. Des Begehrens. Feel. Look. Desire. Schau nicht hin, sie wollen alle nur das Eine: dein Geld. Pflegte meine Oma zu bemerken, wenn sie den Verheißungen der TV-Werbung ausgesetzt war. Und steckte mir, dem am BAföG-Tropf hängenden Studiosus der Familie, hin und wieder zum Monatsende einen zerknitterten Zehner zu. To make ends meet. Wie sie wiederum auf Englisch so trefflich sagen. Meine Oma, die stets kreditwürdig war, den Begriff gar nicht kannte und zeitlebens kein Geld aufgenommen hat, außer hin und wieder einen mickrigen Münzfund von der Straße. Zahlemann & Söhne. Über die Runden kommen. Heute kaufen, morgen bezahlen. Zwischendurch Stroh zu Gold spinnen. Übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. PAY HERE! Kontoführung als Existenzbeweis. Effizienznachweis. Der Mensch reduziert auf das Wesentliche, eigentlich Zählende. Die Bezahlfunktion. Klemmt diese, bleibt wenig von ihm übrig. Bittsteller vor dem Herrn. Tagedieb. Taugenichts. Die Offenbarung. Spendierhosen runter. Dasein fristen vor der Bezahlschranke. Flaschensammler. Rabattjäger. Money (That’s what I want). Barrett Strongs Song von 1959 kennt 67 Coverversionen, darunter 1963 jene von den Beatles. Er begleicht die Entwertung des nicht Warenförmigen, nicht Erwerbbaren. Money don’t get everything it’s true / What it don’t get I can’t use. Daran gibt es nichts zu deuteln. Und früher? Hut ist hin, Stock ist hin, / Geld ist hin, alles hin. Die Absturz-Klimax aus dem Volkslied. Augustin liegt im Dreck. Aufstehen? PAY HERE! Lebenslänglich abstottern. Finale Stundung gewährt dir der Tod. Zu denken bleibt kostenlos, denke ich. Wenigstens das. Und manchmal nicht folgenlos. Zähneknirschend berappe ich 40 Euro für die Parkzeit meiner Schrottlaube. Stolzer Tagessatz. Hätte mich besser des ÖPNV’s bedienen sollen. Lehrgeld. STAY HERE? PAY HERE!

 

Auch veröffentlicht in: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185480.mantra-des-marktes-vor-der-bezahlschranke.html

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